Reaktivierung der Bahnstrecke Niebüll – Flensburg: Bericht zum Dialogforum für die Stadt Flensburg am 26. August 2021

Fakten satt gab es für weit über 30 Interessierte beim Online-Dialogforum für die Stadt Flensburg am 26. August 2021, einer Veranstaltung des Klimamanagement Campus Flensburg, des Fahrgastverbands PRO BAHN und des VCD. Die mögliche Reaktivierung der Bahnstrecke Niebüll – Flensburg wurde von verschiedenen Seiten beleuchtet. Beim anschließenden Austausch zeigte sich: In Flensburg stößt das Vorhaben auf Zustimmung. Unterschiedliche Positionen gibt es zur Frage der Bahnhalte.

I Schlussdiskussion: Mehrheit für Reaktivierung der Bahnstrecke

Zustimmung für die Reaktivierung der Bahnstrecke Niebüll – Flensburg – Innenstadthalt umstritten

Joachim Schmidt-Skipiol, Flensburger Ratsherr (CDU), sprach sich im Grundsatz für die Reaktivierung der Bahnstrecke aus. Hierfür gab es nur Zustimmung von unterschiedlichen Seiten. Schmidt-Skipiol schränkte jedoch ein: Es müsse beim bisherige Bahnhof bleiben. Dafür habe sich die Stadtpolitik aus unterschiedlichen Gründen entschieden.

Sein Votum fand teilweise Unterstützung. Eine Reihe von Diskussionsteilnehmen sprach sich wiederum deutlich für einen Haltepunkt in der Innenstadt aus. Jochen Schulz (NAH.SH) fügte hinzu, die Anbindung der Innenstadt sei auch ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Reaktivierung.

Ängste der Anwohnenden zerstreuen

Die Sorgen der Anwohnenden an der Strecke, insbesondere in Bezug auf die Lärmbelastung, müssten zerstreut werden, so Prof. Dr. Christian Stolz. Moderne Elektrotriebwagen seien nicht lauter als ein Pkw oder ein Bus. Zudem hätten die Anwohnergemeinden einen enormen Vorteil von der Reaktivierung.

Positive Erfahrungen von anderen Strecken

Solche Streckenreaktivierungen seien technisch kein Problem. Mit den Anwohnenden müsse man vernünftige Lösungen finden, stellte Thorsten Schäfer (NEG) fest. Strecken für den Regionalverkehr, ergänzte Schulz, seien eine eher kleine Sache, hier seien leise Fahrzeuge unterwegs.

Stolz wies auf zahlreiche Beispiele aus Süddeutschland hin, wo es Anwohnerproteste und Ängste gab. Die hätten sich zerstreut, als die Strecke in Betrieb ging. Im Gegenteil sei man dort jetzt stolz auf die Bahn.

Im Regelfall ausreichend Platz vorhanden

Auf Nachfrage nach der Veranstaltung erläuterte Schäfer (NEG), normalerweise sei das gewidmete Bahngrundstück immer so breit, dass selbst bei Grenzbebauung alle Sicherheitsabstände gewährleistet seien. Bis zu einem halben Meter könne man ein Gleis auch verschieben, ohne Planungsrechtaufwand.

Einladung: Online-Dialog Innenstadthalt Flensburg – 04. November 2021

Zu einem Haltepunkt in der Flensburger Innenstadt gibt es Pro und Contra. Der Austausch darüber ist Thema der letzten Veranstaltung in unserer Reihe.

Für eine Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung werden Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen Positionen eingeladen und Fachleute, die Know-How beisteuern können.

Dazu laden wir Sie herzlich ein am

Donnerstag, den 04. November 2021, von 17.00 bis 19.00 Uhr

Genaueres wird noch bekanntgegeben.

II Die Beiträge im Überblick

Einführungsreferat: Schleswig-Holsteins Grenzregion – Herausforderungen und Entwicklungstendenzen

Dr. Fabian Geyer: “Wenn Sie von Flensburg Richtung Westküste wollen, ist schwer verständlich, dass man mit der Bahn über Schleswig fahren muss.”

Im Einführungsreferat wies Dr. Fabian Geyer (Arbeitgeberverband Flensburg.Schleswig.Eckernförde e.V.) hin auf die Bedeutung von Flensburg als Oberzentrum für rund 700.000 Menschen südlich der Grenze bis hinein nach Sønderjylland hin. Die Stadt solle sich dieser Position und Aufgabe endlich bewusst werden.

Die Hauptorte in dieser Region müssen durch eine vernünftige Verkehrsinfrastruktur verbunden werden, zumal es künftig den Fehmarnbelt als Konkurrenz und neuen Wirtschaftskorridor gebe. Das sei auch die Position der über 400 Mitglieder des Verbandes.

„Für mich ist unverständlich, dass die Verbindung Niebüll-Flensburg jemals stillgelegt worden ist. Wenn Sie von Flensburg Richtung Westküste wollen, ist schwer verständlich, dass man mit der Bahn über Schleswig fahren muss. Oder am besten gleich ins Auto steigen? Das ist genau das, was auf Dauer nicht funktioniert.“

Für die mittelständische Wirtschaft, Tourismus, die Hochschulen sei Mobilität ein wesentlicher Standortfaktor. Flensburg habe ein Potenzial an Bahnanbindung. Ein innenstadtnaher Bahnhof sei aus Sicht der regionalen Unternehmen eine hochinteressante Perspektive, die Menschen in die Stadt hinein zu bringen.

ÖPNV-Nutzung, Bedarf und Perspektiven in Flensburg und dem Umland

Helene Wahl: „Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist politisch gewollt und Bestandteil von Daseinsfürsorge und Klimaschutz.“

Helene Wahl (VCD Nord) beschrieb die Planungsschritte für den öffentlichen Verkehr. Politische Zielsetzungen sind die Ausgangsbasis. Davon werden Vorgaben für die Landesplanung abgeleitet bis hinunter auf Stadt- und Kreisebene. Denn der öffentliche Verkehr gehört zur Daseinsvorsorge und ist ein zentraler Aspekt beim Klimaschutz.

Knapp 15.000 Menschen pendeln regelmäßig mit dem Auto Richtung Flensburg. Für sie müsse es attraktive Alternativen geben. Die Bahnstrecke Niebüll – Flensburg wird in diesen Planungen – von der Landesebene bis hinunter zur Regionalebene – immer wieder als sinnvolle Verbindung vorgeschlagen.

Je näher der Bahnhof an wichtigen Zielen sei, umso besser werde eine Bahnstrecke angenommen. Insgesamt sei die Bahnstrecke Niebüll – Flensburg, so das Gutachten von SMA und Partner, mit vergleichsweise niedrigen Kosten zu reaktivieren.

Reaktivierung von Bahnstrecken – planerische Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen 

Jochen Schulz: „Für die Verkehrswende brauchen wir mehr Bahn!“

Jochen Schulz (NAH.SH) beschrieb, wie bis in die 1980er Jahre das Bahnnetz immer mehr abgebaut worden war. Seit 1986 findet ein massiver Ausbau mit Reaktivierung von Bahnstrecken statt.

Auf vielen Linien gibt es inzwischen den Halbstundentakt und viele neue Bahnstationen verbessern den Zugang. In Kiel beispielsweise gab es 1995 5 Bahnstationen, für 2035 sind 30 bis 35 Bahnstationen vorgesehen. Am Beispiel von Burg auf Fehmarn könne man sehen, dass die Verbindung umso besser angenommen werde, je näher der Bahnhof der Innenstadt ist.

Für Reaktivierungen gibt es ein großes Potenzial und solche Vorhaben sind einfacher geworden. Der Bund schießt erhebliche Fördermittel zu, die Planungen sind vereinfacht.

Gleichzeitig gibt es natürlich Befürchtungen bei Anwohnenden an der Strecke in Bezug auf Lärm oder Ähnlichem, die berücksichtigt werden müssen. Die neuen Bahnstrecken werden jedoch sehr gut angenommen und sind Erfolgsgeschichten.

Schieneninfrastruktur und Technik

Thorsten Schäfer: „Moderne Elektrozüge sind leise, sauber und können den lokalen Windstrom nutzen.“

Thorsten Schäfer (NEG) klärte noch einmal auf: Eine Eisenbahntrasse zählt als Infrastruktur und wird von einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen betrieben. Auf Grundlage der Planungen bestellt das Land Schleswig-Holstein für die Strecke den Schienenpersonennahverkehr. Dafür wird der Auftrag ausgeschrieben. Ein Eisenbahn-Verkehrsunternehmen wie zum Beispiel die DB oder die NEG erhält den Zuschlag. Voraussichtlich werden dafür moderne Fahrzeuge vom Land gestellt.

Laut Verkehrszählung sind auf der B199 Richtung Flensburg im letzten Abschnitt täglich 13.000 Pkw unterwegs. Aus Leck in Richtung Niebüll wurden rund 14.000 Pkw gezählt. Die Bahnreaktivierung würde die Straßen – und damit die Anwohnenden – erheblich entlasten. Auch in Bezug auf Verkehrslärm, denn moderne Elektrozüge sind leiser als ein Bus. Falls Lärmschutz erforderlich sei, müssten die Anrainer dafür keine Kosten tragen.

Staus seien ebenfalls nicht zu befürchten, wie Schaefer anhand eines Beispiels an der B5 zeigte. Die gesamte Schließzeit einer Schranke dauert rund 65 Sekunden und führt nicht einmal während der morgendlichen Rushhour zu Staus.

III Dialogforen zur Reaktivierung der Bahnstrecke Niebüll – Flensburg

Als Umwelt- und Verkehrsverbände fordern der Fahrgastverband PRO BAHN und der VCD Nord: Für die Wende zu klimafreundlichen Verkehrsmitteln muss die benötigte Infrastruktur geschaffen werden. Deshalb unterstützen und fördern wir die Diskussion über dies Vorhaben.

Regionale Dialogforen ermöglichen den gezielten Austausch über Hürden und Chancen vor Ort.

Dialogforen zur Reaktivierung der Bahnstrecke Niebüll – Flensburg

  • in Vorbereitung: Flensburg Innenstadt, 04. November 2021
  • Stadt Flensburg, Klimamanagement Campus Flensburg, 26. August 2021
  • Kreis Schleswig-Flensburg, Akademie Sankelmark, 06. Mai 2021
  • Westküste, Nordsee Akademie Leck, 11. März 2021