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1340 km Gleis in Schleswig-Holstein und Hamburg sanierungsbedürftig – aber gut in Schuss

Der Bundestagsabgeordnete Dietmar Bartsch hat die Bundesregierung gefragt, wie viele Kilometer des Bahnnetzes sanierungsbedürftig sind.

Die Bundesregierung hat mit einer Aufstellung geantwortet, wie viele Kilometer Gleis im Netz der Deutschen Bahn sich im “investiven Nachholbedarf” befinden (Bundestagsdrucksache 20/2931 S. 67). Demnach gehören in Schleswig-Holstein 994 km in diese Kategorie, in Hamburg 346 km. In ganz Deutschland sind es 17.529 km.

11 Brücken in Schleswig-Holstein und 23 in Hamburg werden zudem zur Zustandskategorie 4 gezählt.

Ist damit die Hälfte des deutschen Bahnnetzes “marode”, wie jetzt mancherorts zu lesen war?

Nein. Aus der Antwort der Bundesregierung geht klar hervor, dass die Zahlen nicht den tatsächlichen Zustand der Schienen beschreiben. Zum investiven Nachholbedarf gehören Gleise, die ihre durchschnittliche technische Nutzungsdauer überschritten haben. Damit müssen sie aber nicht unbedingt erneuert werden, da die technische Nutzungsdauer für jedes Gleis individuell ist und von äußeren Faktoren beeinflusst wird. So kann ein Nebengleis im Bahnhof, das nur von leichten Personenzügen genutzt wird, viele Jahre länger genutzt werden als das durchschnittliche Gleis. Gleichzeitig müssen stark belastete Strecken zum Teil vor dieser Zeit ersetzt werden. Wann saniert wird, hängt also vom tatsächlichen Zustand ab. Alle Gleisanlagen werden regelmäßig mit Gleismesszügen kontrolliert. Werden Mängel festgestellt, werden sie so schnell wie möglich behoben.

Die 994 km Gleis in Schleswig-Holstein können daher uneingeschränkt für einen zuverlässigen Betrieb genutzt werden. Man könnte sagen, dass der investive Nachholbedarf eher eine Frage der Buchhaltung denn der Sicherheit und Zuverlässigkeit ist.

Das Gleiche gilt für die “Zustandskategorie 4” in Bezug auf die Brücken. Zu dieser Kategorie gehören Brücken, bei denen eine wirtschaftliche Instandsetzung nicht mehr möglich ist, die aber uneingeschränkt und sicher genutzt werden können. Es ist nur schlicht so, dass ein Neubau günstiger wäre als eine Sanierung.

Schäden müssen dafür nicht unbedingt die Ursache sein. So wurde früher nach anderen Kriterien gebaut als heute – etwa Brücken mit geringeren Durchfahrtshöhen für den Straßenverkehr, Tunnel ohne Fluchtwege. Lange genossen die alten Bauwerke aber Bestandsschutz – sie mussten nicht den modernen Vorschriften angepasst werden. Vernünftigerweise hat das aber auch seine Grenzen. Gerade das Erlöschen des Bestandsschutzes soll aber bei vielen Brücken die Sanierung unwirtschaftlich gemacht haben.

Vor allem ist nicht das halbe deutsche Schienennetz betroffen. Manche Zeitung hat die “sanierungsbedürftigen” 17.529 km Gleislänge ins Verhältnis zum 33.300 km langen Streckennetz der DB Netz AG gesetzt. Eine zweigleisige Strecke hat aber eben auch zwei Gleise – und das Gleisnetz der DB ist knapp 61.000 km lang.

Auffällig ist allerdings, dass in Schleswig-Holstein ein größerer Teil der Gleise betroffen sein soll – 994 von 2208 km. In Hamburg sieht es mit 346 von 1114 km etwas besser aus.

Sollten diese aber nicht trotzdem ersetzt werden? Ja, auf jeden Fall. Genau dafür werden diese Zahlen auch erfasst: um den Sanierungsbedarf abzuschätzen und Baumaßnahmen zu priorisieren. Ein große Rolle spielen sie deswegen in der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bundesregierung und DB. In der aktuellen Fassung (LuFV III) ist vereinbart, dass beide Seiten bis 2024 1,2 Milliarden Euro aufwenden, um den investiven Nachholbedarf zu verkleinern.

Aus unserer Sicht verstellt diese Debatte den Blick auf das eigentlich Problem. Der Verkehr ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr ausgeweitet worden – ohne dass die Infrastruktur mitgewachsen ist. Es fehlen Ausweich- und Überholgleise, Bahnsteige und zwei- oder mehrgleisige Abschnitte, es fehlen Ausweichrouten. So sind die Bahnanlagen in Hamburg Hauptbahnhof nicht marode – sie sind seit vielen Jahren überlastet. Es gibt aber keine konkreten Pläne für einen Ausbau.

In jedem Fall ist die mediale Berichterstattung über die Kleine Anfrage des Abgeordneten Bartsch bemerkenswert. Nicht nur, dass fälschlich das halbe Bahnnetz für marode erklärt wurde. Gar nicht beachtet wurde, dass Bartsch auch nach dem Zustand des Fernstraßennetzes gefragt hat – und vergleichbare Zahlen zurück bekommen hat, ohne dass der Notzustand ausgerufen wurde.

2 Kommentare

  1. Moin moin,
    interessanter Artikel.

    Hamburg Hauptbahnhof:
    Vor langer Zeit hat man den Verkehr zwischen Hauptbahnhof und Altona aufgeteilt.
    Viele Züge in Richtung Norden (mindestens Kiel und Westerland) fuhren von Altona.

    Wie wird es in Zukunft? Es wird Altona-Neu geben (besser Friedhof Diebsteich). Das bedeutet alle westlichen Stadtteile (Wedel, Blankenese, usw.) fahren nicht mehr nach Altona
    sondern müssen zum Hauptbahnhof (ICE)

    Mit freundlichen Grüßen

    Hartmut Holz

    1. Moin!

      Das Problem des überlasteten Hauptbahnhofs besteht auch unabhängig vom Bahnhof Altona. Insbesondere die Verbindungsbahn bleibt zu klein.

      Dass die Züge von Kiel und Flensburg nicht mehr in Altona enden, war ein lang gehegter Wunsch des Landes Schleswig-Holstein und wurde auch von unserem Verein unterstützt. Gäbe es nicht das Problem der mangelnden Kapazität auf der Verbindungesbahn, würden auch weitere Züge wie der RE6 nach Hbf fahren. Insoweit ist der neue Bahnhof Altona nur konsequent.

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