Vorwort
Der Fahrgastverband PRO BAHN versteht sich als Organisation für alle Fahrgäste des Öffentlichen Verkehrs und somit auch der Fahrgäste in den Fernbussen. Darüber hinaus betrachtet er aus Fahrgastperspektive den gesamten Markt des Öffentlichen Verkehrs und somit auch das Zusammenwirken und die Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen (öffentlichen) Verkehrsmitteln. Die Situation im Gesamtmarkt des Öffentlichen Fernverkehrs hat noch ein großes Verbesserungspotential. So ist es aus Fahrgastsicht hilfreich, wenn über den Markt dem Schienenfernverkehr „Beine gemacht“ werden, dieses darf aber keinesfalls zu einem Rückzug des Schienenpersonenfernverkehrs (SPFV) vor allem aus der Fläche führen.
1. Grundforderungen
Nach Auffassung des Fahrgastverbands PRO BAHN müssen die folgenden Punkte beachtet bzw. eingeführt werden, um einen kundengerechten und sinnvollen Wettbewerb zwischen Bahn und Bus zu ermöglichen:
1.1. Erhebung einer Maut / Infrastrukturabgabe von allen motorisierten Fahrzeugen für alle Straßen, (diese ist auch notwendig für den Erhalt der Straßen-Infrastruktur). Ausnahmen darf es nur für gemeinwirtschaftliche Fahrzeuge geben (wie Polizei, Feuerwehr, THW und den ÖPNV). Die Maut muss sich in ihrer Höhe deutlich von der geplanten Maut für PKW unterscheiden.
1.2. Fernbus-Stationsgebühren für die Omnibus-Stationen, die sowohl in den Bau als auch in die Erhaltung und deren Betrieb investiert werden. Hier ist eine bundeseinheitliche Regelung anzustreben. Mindeststandards für zentrale Busstationen und Unterwegs-Stationen sind vorzugeben (siehe 5.)
1.3. Zentrale Busstationen (wie Zentrale Omnibus-Bahnhöfe (ZOB) müssen sich sowohl in der Investition als auch im Betrieb und der Unterhaltung selbst tragen.
1.4. Haltestellen und deren Zuwegung sollen dem Fernbus so zugewiesen werden, dass die Sicherheit der Reisenden und die störungsfreie Fahrt des übrigen ÖPNV wie auch des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) gewährleistet ist.
1.5. Die Möglichkeit barrierefreien Reisens muss im System Fernbus identisch zum übrigen Öffentlichen Verkehr gegeben sein, dies gilt für Fahrzeuge und Haltestellen gleichermaßen.
2. Gleichstellung der Fahrgastrechte
Dieselben Fahrgastrechte wie auf der Schiene sollen auch beim Fernbus gelten. Dabei müssen Regeln geschaffen werden, die die gesamte Reisekette umfassen, auch bei verschiedenen Beförderungsverträgen.
2.1. Der Vorlauf/Nachlauf muss Bestandteil der Fahrgastrechte sein, damit Reisende nicht an der Haltestelle oder dem Omnibus-Bahnhof stranden oder zumindest für die Verspätung entschädigt werden.
2.2. Bei Umsteigebeziehungen sind innerhalb des Fernbus-Systems unternehmensübergreifende Lösungen für die Reisenden zu schaffen.
2.3. Echtzeitinformationen an allen Haltestellen
Der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts Münster hat im Mai 2014 entschieden, dass auf allen Bahnhöfen und Bahnstationen Fahrgäste über Zugausfälle und Verspätungen „aktiv“ zu informieren sind. Es ist nicht ausreichend, wenn Aushänge auf die Telefonnummer einer Service-Hotline hinweisen. Dieser Standard muss auch an allen Fernbus-Haltestellen gelten.
3. Zulassung und Überwachung
3.1. Bundeseinheitliche Regeln und Zuständigkeiten für die Zulassung und Überwachung der Fernbusse und deren Linien mit einem bundesweiten Register statt der heute je nach Bundesland unterschiedlichen Bestimmungen. Im Rahmen des von einem breiten Bündnis geforderten Deutschland-Takts ist eine Bundesinstitution für den Fernverkehr ohnehin notwendig, die dann auch die entsprechenden Aufgaben für den Fernbus übernehmen kann.
3.2 Fahrplansicherheit über mindestens (wie es die gesetzliche Regelung vorgibt) eine Periode von 3 Monaten und deren Überwachung und Sanktionierung.
3.3 Schutz des parallelen und öffentlich bestellten und bezuschussten Schienen-Personen-Nahverkehrs (SPNV). Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen (50 Kilometer Entfernung oder 1 Stunde Reisezeit) reichen dafür nicht aus, Beispiele: Hamburg–Westerland, Göttingen–Glauchau, Köln–Siegen).
Die Länder bestellen auf manchen Relationen weit über 100 Kilometer lange regionale Bahnlinien mit Steuergeldern. Busverkehre, die sich hier profitable Rosinen heraus picken, vermindern die Einnahmen im Öffentlichen Verkehr und erhöhen somit die notwendigen Bestellerentgelte.
3.4. Wenn im Rahmen des Deutschland-Taktes Buslinien notwendig werden, sollen diese nach einer Ausschreibung eingerichtet werden (in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gibt es positive Beispiele).
4. Pausen, Toiletten
4.1. Bei langen Fahrten (über 4 Stunden) müssen Pausen für die Reisenden gemacht werden. Diese sollen an Raststätten oder ZOB mit Verpflegungsmöglichkeiten und Toiletten durchgeführt werden.
4.2. Bei defekten Bustoiletten sind zusätzliche Pausen an geeigneten Stellen erforderlich.
4.3. Für mobilitätseingeschränkte Reisende muss es Bus-Stopps zur Nutzung einer behindertengerechten Toilette, etwa an Raststätten geben.
5. Fernbus-Haltestellen
Die Fernbusse dürfen nur an definierten Fernbus-Haltestellen anhalten, da wegen der Ladetätigkeit von Gepäck und ggf. Fahrrädern, sowie der Mitnahme von Rollstühlen andere Bedingungen als beim ÖPNV gelten.
An allen Fernbus-Haltestellen, auch an Unterwegsstationen wie etwa Titisee-Neustadt müssen die folgenden Ausstattungsmerkmale vorhanden sein:
5.1. Basisanforderungen:
– Haltestellenmast
– Licht
– Wetterschutz (=Aufenthalt für Reisende)
– Fahrplanaushang, Umgebungsplan und Echtzeitanzeige für Ankunft und Abfahrt
(Haltestellen mit Energieversorgung durch Solarzellen und funkgesteuerte Anzeigetafeln bietet der Markt an)
– Sichere Ein-/Auslademöglichkeit für Gepäck, auch auf der linken Bus-Seite
– Gefahrlose und barrierefreie Zuwegung für Fußgänger und Radfahrer
– ÖPNV-Anschluss ohne Zusatzkosten
Eine öffentlich bestellte und bezahlte Bus-Zubringerlinie aus einem Ort zu einer autobahnnahen Fernbus-Haltestelle hält der Fahrgastverband PRO BAHN vor dem Hintergrund fehlender Gelder für den ÖPNV für nicht vertretbar, dieses gilt nicht für im Rahmen des Deutschland-Taktes gefahrene Bus-Linien. Durch Fernbusanbieter eigenwirtschaftlich betriebene Zubringer-Linien gehen in Ordnung.
Durch das Halten der Fernbusse dürfen weder der ÖPNV, noch der Rad-, Fußgänger- und Straßenverkehr behindert werden.
Wir unterteilen die Stationen in 3 Kategorien, je nach Größe und Bedeutung und legen für jede eigene Standards fest:
A Großer ZOB
Große ZOB wie in Hamburg, Berlin, München dienen für viele Linien als Start- und Zielpunkt und haben ein großes Aufkommen an nationalen und internationalen Linien. Sie können ebenfalls als Hub (z.B. Hannover) dienen, gleichzeitig sind sie für viele Reisende aber nicht unbedingt für die Linien Start- und Ziel. PRO BAHN fordert hier in jedem Fall für den Fernbus und den Gelegenheitsverkehr eine deutliche Trennung vom übrigen ÖPNV (Beispiel Hamburg).
Hier erwarten wir zusätzlich:
– Toiletten (auch behindertengerecht)
– Restauration mit Sitzplätzen
– behindertengerechte Toiletten
– Einkaufsmöglichkeiten
– unternehmensübergreifendes Service-Personal: Fahrkartenkauf- und Beratung
– sowie Hilfestellung beim Umsteigen,
B Mittlerer ZOB
Dieser ZOB dient als Zwischenhalt und zur Verteilung der Fahrgäste in eine Region; eine solche Bus-Anlage kann in ÖPNV-Anlage an eigenen Bussteigen integriert werden.
Zusätzlich erwarten wir hier für die Fernbusse:
– Toiletten (eine behindertengerecht)
– Kiosk (möglichst mit Fahrkartenverkauf für alle dort haltenden Busunternehmen und Einkaufsmöglichkeiten für Reisebedarf)
– Personal für Auskunft/Hilfe
– Warteraum
An den ZOB der Kategorien A und B ist ein Management der Bus-Slots erforderlich, um Rückstaus von Bussen und damit eine Behinderung von MIV und ÖPNV zu vermeiden. In den großen ZOB wie Hamburg wird das heute bereits praktiziert.
C Kleine Haltestelle
Hier handelt sich in der Regel um örtliche Ein- und Aussteigehaltestellen, wenige Verknüpfungen zu weiteren Bussen oder Zügen sind hier möglich, wie etwa Titisee-Neustadt, Friedrichshafen, Eckernförde.
Hier erwarten wir die unter 5.1. genannten Mindeststandards.
5.2. Generell sollen die Haltestellen gute Umsteigemöglichkeiten in den lokalen, regionalen und überregionalen ÖPNV bieten – soweit dieser vorhanden ist –, um eine sinnvolle Verknüpfung der Verkehrsmittel und damit funktionierende Reiseketten zu ermöglichen. Kann dieses nicht gewährleistet werden, so sind Zubringerdienste einzurichten.
6. Haltestellenbezeichnungen in Zukunft
Der Fahrgastverband PRO BAHN hält es für wünschenswert, dass für die unterschiedlichen Haltestellen-Typen bundeseinheitliche Begriffe definiert werden, die dem Fahrgast gleich signalisieren, was er hier zu erwarten hat.
A Fernbus-Terminal
Anlagen mit mindestens 10 Bussteigen
Große Anlagen wie in Hamburg, Berlin, München dienen für viele Linien als Start- und Zielpunkt und haben ein großes Aufkommen an nationalen und internationalen Linien.
B Fernbus-Hof oder Fernbus-Port
Anlagen mit mindestens 4 Bussteigen und von dem übrigen Straßenverkehr getrennten Verkehrsfläche
Die Ausstattung und Funktion sollen denen eines großen ZOB (5.A) entsprechen.
C Fernbus-Station
Anlagen mit bis zu 3 Bussteigen und von dem übrigen Straßenverkehr getrennten Verkehrsfläche
Die Ausstattung und Funktion sollen denen eines mittleren ZOB (5.B) entsprechen.
D Fernbus-Haltestelle
Anlage für 1-2 Busse zwischen Fahrbahn und Gehweg im klassischen Straßenverkehrsraum
Die Ausstattung und Funktion sollen denen einer kleinen Haltestelle (5.C) entsprechen.
Schlussbemerkung
Weiter erforderlich sind ständige Kontrollen zur Einhaltung der Standards, an den Stationen und bei den Fahrzeugen sowie auch der Vorschriften für Lenkzeiten. Ebenso erwarten wir adäquate soziale Standards beim Personal (Lohn, Urlaub, Schulung), die selbstverständlich zu überwachen sind. Auch für ausländische Busgesellschaften und deren Personal muss eine entsprechende Regelung greifen.
Dieses Positionspapier wurde in mehreren Diskussionsrunden und Arbeitsschritten unter Mitarbeit von Gerd Aschoff (LV Niedersachsen), Michael Brunsch (LV Mitteldeutschland), Alexander Drewes (LV Hamburg/Schleswig-Holstein), Ingo Franßen (LV Bremen), Hans-Uwe Kolle (LV Hamburg/Schleswig-Holstein), Thomas Kraft (LV Hessen), Karl-Peter Naumann (LV Hamburg/Schleswig-Holstein) und Thomas Schwemmer (LV Hessen) erarbeitet. Der Bundesausschuss beschloss das Papier am 17. Januar 2015.
Rückfragen bitte an
Gerd Aschoff, Bundespressesprecher, Tel.: 0171 – 2767 926, E-Mail: g.aschoff@pro-bahn.de
oder Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender, Tel.: 0172 – 267 378 4, E-Mail: k.naumann@pro-bahn.de
v.i.S.d.P.: Gerd Aschoff