Reiseauskunft adé – Ende einer Ära: Fahrgastverband PRO BAHN kritisiert die Fokussierung auf den Fernverkehr

Die Deutsche Bahn hat die bisherige Auskunftsseite „reiseauskunft.bahn.de” abgeschaltet und verweist Fahrgäste auf die neue Webseite. Die alte Seite war mit einer leistungsfähigen Oberfläche ausgestattet, ermöglichte eine vielfältige Nutzung und verstand sich insbesondere auch als Auskunftsplattform für den bundesweiten öffentlichen Verkehr.

Der Fahrgastverband PRO BAHN kritisiert, dass die neue Plattform unzureichend auf die Bedürfnisse verschiedenen Nutzergruppen angepasst ist und von einer Auskunftsplattform hin zu einer Verkaufsplattform umgestaltet wurde.

Eine leistungsfähige Fahrplanauskunft ist Grundvoraussetzung für Fahrgäste im öffentlichen Personenverkehr. Das Portal „reiseauskunft.bahn.de“ war dafür bisher in Deutschland eine der meistbesuchten Webseiten, sowohl für Auskünfte im Fernverkehr als auch für den Nahverkehr mit Zug, Bus, U-Bahn und Tram. Mit der Abschaltung der alten Seite ist eine Ära zu Ende gegangen. Als Ersatz hat die Deutsche Bahn bereits Ende 2023 ein neues Portal veröffentlicht, das deutlich stärker auf den Fahrkartenverkauf ausgerichtet ist, weniger Funktionen für die Auskunftssuchenden bietet und bezüglich allgemeiner Benutzbarkeit und Barrierefreiheit schlechter als die alte Seite abschneidet.

Seit dem Start des Internets hatte die Deutsche Bahn eine Fahrplanauskunft angeboten, die stetig kundenorientiert weiterentwickelt und den vielfältigen Wünschen verschiedener Nutzergruppen gerecht wurde. Die Webseite war an Desktop- und Laptopbildschirmen übersichtlich und konnte Verbindungen kompakt darstellen. Beispiel: Die Details zu einer Verbindung mit 3 Umstiegen passte ganz auf eine Bildschirmseite (die neue Webseite verlangt ein Scrollen über oft 3 Seiten oder mehr). Es wurden zudem die Reise- und Fußwege auf Karten grafisch dargestellt und eine kompakte Übersicht der Alternativen zum Mitnehmen, gegebenenfalls auch zum ausdrucken, angeboten. Dazu gab es eine separate Druckansicht, die z.B. auch für Nachweise bei Dienstreisen hilfreich war. Die Option einen Anreisebutton zu erzeugen bot die Möglichkeit eine einfache Suche zu einer vordefinierten Adresse zu ermöglichen (sogenannte Deeplinks). Ähnlich war es für Experten möglich, reiseauskunft.bahn.de so als Deeplink aufzurufen, dass bestimmte Werte automatisch vorbelegt waren (z.B. Start und Ziel, Anzahl der Reisenden, Rabattkarte(n) usw.). Diese Funktionen sind auf der neuen Webseite nicht oder nur eingeschränkt umgesetzt worden. Auch eine schnelle Bedienung rein per Tastatur bot die alte Plattform, während die neue Plattform auf eine Bedienung per Maus oder Touch ausgerichtet ist, vor allem um Datum und Uhrzeit auszuwählen. Dies ist nicht nur für sehbehinderte Nutzende eine Herausforderung – auch für den Vielnutzer ist die Suche mit dem neuen System deutlich langsamer.

Dies beschreibt Prof. Dr. Bastian Pfleging, Professor im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion an der TU Freiberg wie folgt: „Mit Interaktionsmodellen wie dem Keystroke-Level-Modell kann man abschätzen, wie lange Nutzende für die fehlerfreie Bedienung eines interaktiven Systems benötigen. Von uns gerechnete Beispiele zeigen, dass die Nutzung der neuen Webseite am Desktop mindestens doppelt so lange dauert wie bei der Bedienung der alten Seite (bei Nutzung der Tastatur). Man mag nicht vorstellen, was passiert, wenn auch die DB-Hotline dieses System verwenden müsste und damit alle gegebenen Auskünfte deutlich verlangsamt werden. Das ist für mich ein klares Zeichen, dass das Thema der Benutzbarkeit (Usability) bei der Umsetzung durch die Deutsche Bahn nicht ausreichend berücksichtigt worden ist.“

Fahrplanauskünfte sind ein zentraler Einstiegspunkt für das Angebot des Systems Öffentlicher Verkehr. Die Zuordnung der Reiseauskunft zur Produktsparte DB Fernverkehr und die Priorisierung von Verkaufsinteressen über die Auskunftsinteressen der Fahrgäste bedeutet einen deutlichen Paradigmenwechsel.

Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert die Verantwortlichen Politiker in Bund und Ländern auf, eine zukunftsweisende und anbieterübergreifende Informationsplattform zu schaffen, die eine faire und offene Marketing- und Vertriebsplattform für alle Verkehrsunternehmen ermöglicht, die in Deutschland öffentliche Verkehre anbieten. Damit werden an einer zentralen Stelle diskriminierungsfrei vollständige Reiseauskünfte und idealerweise Fahrscheinkäufe für die komplette Reisekette mit dem öffentlichen Verkehr unternehmensunabhängig möglich.

Es wäre schön, wenn die europäischen Positivbespiele und das Gemeinwohl als Orientierung dienen würden. Ein Blick ins Nachbarland Österreich zeigt: Die Österreichischen Bundesbahnen trennen klar zwischen intermodaler Auskunftsplattform und Verkaufsplattform. So gibt es dort für Browsernutzende zwei Webseiten, eine für den Fahrkartenkauf und eine für die landesweite Auskunft über alle öffentlichen Verkehrsmittel hinweg. Auch in Österreich gab es bei der Auskunftsplattform vor einiger Zeit ein Update. Unterschied: Die ÖBB erlauben ihren Fahrgästen weiterhin die alte Plattform zu verwenden, während die DB ihre Kunden zwingt, die neue profitorientierte Plattform mit eingeschränktem Funktionsumfang zu nutzen.

Jörg Bruchertseifer, Bundesreferent Fahrgastinformation des Fahrgastverbands PRO BAHN meint dazu „Bahnen und Busse sind nur als Gesamtsystem erfolgreich. Die Fahrplanauskunft ist der Produktkatalog des öffentlichen Verkehrs. Er muss verschiedensten Anforderungen gerecht werden. Pendler brauchen andere Übersichten als Gelegenheitsfahrer. Fahrgäste auf längeren Strecken mit Umsteigevorgängen sollten alle Informationen für so eine Reise leicht zugänglich erhalten. All diesen Fahrgästen muss eine individuelle Reiseauskunft mit korrekten, konsistenten und widerspruchsfreien Informationen gerecht werden. Das senkt die Zugangsbarrieren zum öffentlichen Verkehr und ist somit aktive Klimaschutzpolitik.“

Prof. Dr. Lukas Iffländer, stellvertretender Bundesvorsitzender, mobil: 0176-66822886, e-mail: lukas.ifflaender@pro-bahn.de

Jörg Bruchertseifer, Bundesreferent Fahrgastinformation, mobil: 0160-90636984, e-mail: joerg.bruchertseifer@pro-bahn.de