Der verlässliche Linienbusverkehr wird in Neumünster allmählich weniger. Zunächst wurde er an den Sonntagen in Gadeland und Tungendorf durch das On-Demand-Angebot „Hin- und Wech“ ersetzt. Dann fielen die Nachtlinien und der Linienverkehr am Samstagmorgen und -abend weg.
„Dabei rechnen viele Menschen in Neumünster mit dem Linienbusverkehr. Jetzt müssen sie damit zurecht kommen, dass „Hin- und Wech“ eventuell gar nicht kommt, wenn es gebraucht wird oder müssen einfach am Sonntag gleich zu Hause bleiben“, erklärt Stefan Barkleit, Vorsitzender des PRO BAHN-Landesverbandes Schleswig-Holstein/ Hamburg, die momentane Situation. „Viele Fahrtwünsche werden abgelehnt, weil gerade kein Fahrzeug unterwegs ist. Zumindest zeigt uns das ein Blick nach Rendsburg und Süderbrarup mit ihren Rufbus-Systemen – die Stadtwerke geben leider nur die Erfolgszahlen heraus“, sagt der Experte für öffentlichen Nahverkehr.
Katja Schulz von der VCD-Ortsgruppe Neumünster stimmt mit Barkleit überein und ergänzt: „Zeitweise stellte sich für uns die Frage, ob sich Neumünster im öffentlichen Nahverkehr zum Dorf entwickelt. Der Anstieg der Beförderungszahlen von „Hin- und Wech“ ist beim günstigen Preis im Vergleich zum Taxi zu sehen. Ein Taxi ist viel teurer.“
Julia Kähler nutzt wegen einer Sehbehinderung den Busverkehr der SWN als Hauptverkehrsmittel. Sie sagt dazu: „Vielen Erwachsenen fehlt der Führerschein oder das Geld für ein Auto. Das überbordende Angebot an häufig kostenlosen Parkplätzen in der Innenstadt nutzt diesen Menschen nichts. Es scheint aber kein Zufall zu sein, dass in Tungendorf, jetzt da weniger Linienbusse fahren, mehr Parkplätze gebraucht werden. Auch alte Menschen, die nicht mehr selbst Auto fahren können, hat man das Leben damit schwerer gemacht.“ Alle drei, Schulz, Barkleit und Kähler tauschten sich bereits mehrmals zum Thema aus und sind sich einig: die Einstellung, dass nur diejenigen bequem mobil sein können, die mit dem Auto fahren, hat fatale Folgen: kein Klimaschutz, keine kinderfreundliche Umgebung, kein Gesundheitsschutz und die soziale Ungleichheit wird verstärkt. Die kostenlose Bereitstellung von Parkflächen führt darüber hinaus zum finanziellen Ausbluten der Stadt und zur ungerechten Verteilung der knappen Flächen in der Innenstadt, wenn stattdessen dauerhaft zu wenig in gute und bessere Fahrrad- und Gehwegeinfrastruktur investiert wird. Die Abhängigkeit vom Auto wächst dagegen.
Katja Schulz von der VCD-Ortsgruppe Neumünster sagt weiter dazu: „Die Stadt wird unattraktiv, wenn sie nur Abstellraum ist und der öffentliche Raum sich wie ein ungemütlicher Flur anfühlt. Läden können nicht überleben. Der Aufenthalt und das Verweilen ist unangenehm, zu laut, zu gefährlich oder eintönig. Mit dem neuen Masterplan Mobilität ist ein Richtungswechsel möglich, der die Innenstadt und die Kernbereiche in den Stadtteilen zu lebenswerteren Aufenthaltsorten mit einer gesunden Basismobilität machen kann. Dazu gehört auch ein verlässlicher öffentlicher Nahverkehr und weniger Parkraum in den Kernbereichen zugunsten einer attraktiveren Umgebung. Jeder zusätzliche Fahrgast entlastet den Straßenverkehr und verhindert Staus dabei. Klar ist aber auch, dass es in Zukunft immer schwerer sein wird, genügend Menschen zu finden, die Busfahrerin oder Busfahrer werden wollen. Trotzdem sollten wir den Menschen in Zukunft mehr Wahlfreiheit der geeigneten Verkehrsmittel schaffen.“
Kontakt:
Stefan Barkleit, Vorsitzender des PRO BAHN-Landesverbandes Schleswig-Holstein/ Hamburg, mobil: 0151-51462156, e-mail: barkleit@pro-bahn-sh.de
Jan Niemeyer, Mitglied des Landesvorstandes des PRO BAHN-Landesverbandes Schleswig-Holstein/ Hamburg, Telefon: 0431-55681903, e-mail: niemeyer@pro-bahn-sh.de
Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands PRO BAHN und Pressesprecher des Landesverbandes Schleswig-Holstein/ Hamburg, mobil: 0172-2673784, e-mail: k.naumann@pro-bahn.de