Gemeinwohlorientiertes Eisenbahninfrastruktur-unternehmen: Regionalisierung der Schieneninfrastruktur forcieren

Auf der Bahnstrecke Flensburg – Eckernförde – Kiel besteht derzeit kein durchgehender Schienenverkehr – und das wird noch mindestens 2 Jahre so bleiben. Schon zuvor wurde der Schienenverkehr zwischen der drittgrößten und der größten schleswig-holsteinischen Stadt Jahr um Jahr unzuverlässiger. Die Errichtung der neuen Schleibrücke ist immer wieder verschoben worden. Im April diesen Jahres ist der Klappteil der alten Brücke ausgehoben worden, lange vor der Inbetriebnahme der neuen.

Nach Lübeck kommen Fahrgäste immerhin noch per Bahn. Doch das immer schlechter. Bahnübergangs-, Weichen- und Signalstörungen sowie Langsamfahrstellen wegen Schäden an den Gleisen – die Bahnstrecke ist in die Jahre gekommen, die technischen Probleme häufen sich. Dabei sollte die Bahnstrecke längst ausgebaut sein. Das Land Schleswig-Holstein und die NAH.SH möchten den Schienenverkehr zwischen den beiden größten Städten des Landes schon seit dem Jahr 1996 attraktiver machen. Doch bisher konnten nur ein Elektronisches Stellwerk (ESTW) und eine erste Ausbaustufe mit der Kreuzungsstation Kiel-Elmschenhagen und dem Streckenabschnitt Preetz – Ascheberg umgesetzt werden. Zu geringe Planungskapazitäten, zu geringe Investitionsmittel. Mit der Errichtung des ESTW ist zudem die Anzahl der Gleise, der Weichen und der Signale reduziert worden. Mit entsprechenden Folgen für die Zuverlässigkeit.

Von Lübeck kommen Fahrgäste mit der Regionalbahn-Linie 85 nur noch bis Neustadt. Der Streckenabschnitt Puttgarden – Neustadt ist seit dem 01. September 2022 gesperrt, obwohl die Bauarbeiten zur Errichtung der Schienenhinterlandanbindung der Festen Fehmarnbeltquerung bisher noch nicht begonnen haben. Das Land Schleswig-Holstein zahlte zuletzt für die Regionalbahn-Linie 85 Puttgarden – Lübeck mehr als 3 Millionen Euro Trassengebühren jährlich, DB Netz soll aber über Jahre nur 100.000 Euro jährlich für die Instandhaltung aufgewendet haben, obwohl man intern von 700.000 Euro Bedarf ausging.

Wo bleiben die Trassen- und Stationsgebühren, die das Land Schleswig-Holstein und die NAH.SH jedes Jahr zahlen? Im Jahr 2018 immerhin mehr als 150 Millionen Euro.

Der überwiegende Teil der Schieneninfrastruktur wird derzeit von der DB Netz vorgehalten. Das Tochterunternehmen der DB soll mit der Schieneninfrastruktur bisher Gewinne erzielen. DB Netz und DB Schenker erwirtschaften derzeit den überwiegenden Teil des Gewinns der DB.

Mit Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen wird sichergestellt, dass Gewinne der DB Netz an die DB Holding und teilweise als Dividende an den Bund fließen. Während der Bund früher den Haushalt sanierte, investiert der Bund seit einigen Jahren die Dividende und weitere Finanzmittel in Ersatzinvestitionen zur Erhaltung der Schieneninfrastruktur. Dennoch sind die Finanzströme intransparent. Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass Finanzmittel zur Querfinanzierung anderer Tochterunternehmen der DB Holding verwendet werden.

Im Aufsichtsrat der DB Netz sind dabei die DB Holding als Mutterunternehmen und die durch den Bund als Eigentümer der DB bestimmten Mitglieder vertreten. Die nichtbundeseigenen Eisenbahnverkehrsunternehmen, die Bundesländer und die Fachverbände sind im Aufsichtsrat der DB Netz hingegen nicht vertreten und können somit ihre Perspektive zum Ausbau, zur Modernisierung und Sanierung sowie zur Vorhaltung der Schieneninfrastruktur nicht einbringen.

Der Bundesrechnungshof, die nichtbundeseigenen Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie die Fachverbände kritisieren die Struktur der DB Netz (und der DB Station&Service) seit langer Zeit.

Mit dem zum 01. Januar 2024 geplanten Eisenbahninfrastrukturunternehmen „InfraGo“ sollen DB Netz und DB Station&Service in ein gemeinwohlorientiertes Unternehmen überführt werden. Des Weiteren wird über eine Integration der Netzsparte der DB Energie diskutiert. Eine Regionalisierung der im Nahverkehr genutzten Schieneninfrastruktur und somit eine Dezentralisierung von Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen beim Ausbau und der Sanierung sowie der Vorhaltung der Schieneninfrastruktur ist bisher noch kein Thema.

Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert daher den Bund auf, im Rahmen der Neuordnung der Vorhaltung der Schieneninfrastruktur interessierten Ländern eine Regionalisierung der im Nahverkehr genutzten Schieneninfrastruktur zu ermöglichen und den Ländern auch die entsprechenden Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Denn dort, wo die Schieneninfrastruktur von nichtbundeseigenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen vorgehalten wird – in Schleswig-Holstein zum Beispiel von der AKN und der Norddeutschen Eisenbahn Niebüll -, ist sie durchweg in einem besseren Zustand als die Schieneninfrastruktur der DB Netz. Des Weiteren fallen für die Aufgabenträger bei der Bestellung zusätzlicher Züge weniger zusätzliche Trassengebühren an. Zudem können Infrastruktur-Maßnahmen günstiger und schneller umgesetzt werden.

„Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) möchte mit „InfraGo“ das derzeit rund 4.000 Kilometer umfassende und künftig auf rund 9.000 Kilometer wachsende Hochleistungsnetz grundlegend modernisieren und sanieren sowie ausbauen, um die Leistungsfähigkeit der Schieneninfrastruktur grundlegend zu erhöhen”, erläutert Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands PRO BAHN und Pressesprecher des Landesverbandes Schleswig-Holstein/ Hamburg. „Unsere Sorge mit Blick auf die vorhandenen Planungskapazitäten der DB Netz und „InfraGo“ ist, dass die Sanierung und der Ausbau des Hochleistungsnetzes zu Lasten des Ausbaus der im Nahverkehr genutzten Schieneninfrastruktur gehen kann, sofern DB und „InfraGo“ für den Ausbau des Hochleistungsnetzes Planungskapazitäten aus den Ländern abziehen.“

„Mit der Regionalisierung der Schieneninfrastruktur könnte die Verantwortung für die Finanzierung und der Vorhaltung der im Nahverkehr genutzten Schieneninfrastruktur vom Bund auf die Länder wechseln. In Schleswig-Holstein kommen dafür rund 300 bis 400 Kilometer Schieneninfrastruktur in Frage, die im Auftrag des Landes Schleswig-Holstein und der NAH.SH von den nichtbundeseigenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen AKN und Norddeutsche Eisenbahn Niebüll vorgehalten werden können“, so Stefan Barkleit, Vorsitzender des PRO BAHN-Landesverbandes Schleswig-Holstein/ Hamburg. „Die Regionalisierung der Schieneninfrastruktur ist die Chance, kurzfristig die Qualität der Schieneninfrastruktur zu verbessern, um die Pünktlichkeit und die Zuverlässigkeit des Nahverkehrs auf die vertraglich vereinbarten Zielwerte zu erhöhen, und kurz- bis mittelfristig die Schieneninfrastruktur grundlegend auszubauen und zu sanieren, um das Angebot im Nahverkehr auszubauen und attraktiver zu gestalten.“

Kontakt:

Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands PRO BAHN und Pressesprecher des PRO BAHN-Landesverbandes Schleswig-Holstein/ Hamburg, mobil: 0172-2673784, e-mail: k.naumann@pro-bahn.de

Stefan Barkleit, Vorsitzender des PRO BAHN-Landesverbandes Schleswig-Holstein/ Hamburg, mobil: 0151-51462156, e-mail: barkleit@pro-bahn-sh.de