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Keine halben Lösungen bei der Digitalisierung der Infrastruktur – Abkehr von standardisierten Stellwerken nützt nur den Herstellern

Der Fahrgastverband PRO BAHN kritisiert Pläne des Infrastrukturbetreibers DB InfraGO, vom Einsatz digitaler Stellwerke und der Ausrüstung mit ETCS Abstand zu nehmen. Insbesondere der Einsatz der bekannten elektronischen Stellwerke kann schnell für hohe Folgekosten sorgen. Der Fahrgastverband PRO BAHN spricht sich für eine klare Digitalisierungsstrategie aus, an der dann auch festgehalten werden muss. Dazu bedarf es einer Strukturreform im Bereich digitale Schiene.

Der SWR berichtet, dass die Infrastrukturtochter der Deutschen Bahn, DB InfraGO, die Digitalisierung des Netzes verlangsamen will. Dazu sollen elektronische Stellwerke statt der neueren digitalen Stellwerke eingesetzt werden. Gleichzeitig soll die Einführung des europäischen Zugbeeinflussungssystems ETCS langsamer erfolgen.

Der Fahrgastverband PRO BAHN kritisiert die geplanten elektronischen Stellwerke, weil sie viel teurer werden können als gedacht. Diese Bauform ist nicht genormt und Teile von verschiedenen Herstellern können nicht ausgetauscht werden. Wenn nach der Gewährleistung ein Wartungsfall kommt, verdient der jeweilige Hersteller viel Geld, kritisiert Prof. Dr. Lukas Iffländer, stellvertretender Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands PRO BAHN. Bei den digitalen Stellwerken ist das anders, weil man etwa einen Weichenantrieb eines Herstellers mit dem Stellwerk eines anderen Herstellers kombinieren kann.

Außerdem besteht die Gefahr, dass die Technik veraltet und nicht mehr genutzt werden kann. Schon heute müssen erste elektronische Stellwerke aus den Neunzigerjahren ersetzt werden, weil man sie nicht mehr einfach aufrüsten kann. Der Aufwand ist oft so groß wie bei einem Neubau. Bei digitalen Stellwerken können einzelne Teile unabhängig voneinander ersetzt werden.

Der Fahrgastverband PRO BAHN ist für die schnelle Einführung des Zugbeeinflussungssystems ETCS (Positionspapier). Das System kann auf bestehenden Strecken für mehr Kapazität und Pünktlichkeit sorgen. „Wir erwarten, dass die DB InfraGO bis spätestens 2040 das gesamte Netz umrüstet“, sagt Iffländer. Der Fahrgastverband PRO BAHN ist nur dann für den Verzicht auf ETCS bei Korridorsanierungen, wenn es sonst eine Mischung aus dem alten System PZB und ETCS geben müsste. Das wäre aber teurer und würde weniger Kapazität schaffen. Dann muss es aber ein verbindliches Datum geben, bis zu dem auf reines ETCS umgestellt wird.

Für die Digitalisierung braucht die Deutsche Bahn neue Strukturen. Bisher unter der Digitalen Schiene Deutschland – ein Leuchtturmprojekt von ex-Bahnmanager Pofalla – zusammengefasst, sind die meisten Aktivitäten nicht über den Status von PowerPoint-Folien hinausgekommen. Wichtige Themen wie digitale Stellwerke wurden nicht beachtet, weil sie den Managern nicht modern genug erschienen. Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert daher, die Zuständigen für digitale Stellwerke und den europäischen Stellwerksstandard EULYNX direkt am Vorstand aufzuhängen und ihnen alle erdenkliche personelle und finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, um die Digitalisierung der Deutschen Bahn wieder auf Kurs zu bringen. Darüber hinaus ist eine vollständige Restrukturierung und Reintegration der digitalen Schiene Deutschland notwendig, denn in diesem Leuchtturm ist das Licht schon länger erloschen.

Angesichts der dem politischen Willen entgegenlaufenden Absichten der DB, ist die Erwartung von Verkehrsminister Wissing, dass die DB sinnvolle Reformkonzepte gemäß seines „7-Punkte-Plans“ vorlege, noch fragwürdiger.

Detlef Neuß, Bundesvorsitzender, mobil: 0170-5853246, e-mail: neuss@probahn-nrw.de