Die NAH.SH hat mit ihrem Tarifentwicklungsplan ein stark vereinfachtes Konzept vorgelegt. Grafik: Eva Hartmann für NAH.SH

Zwanzig Jahre Tarifharmonisierung – Fahrgastverband PRO BAHN fordert drastische Vereinfachung der tariflichen Grundstrukturen im ÖPNV

Vor zwanzig Jahren hat der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) das Dokument 950 veröffentlicht, mit dem Ziel, die Tarifbestimmungen deutschlandweit zu harmonisieren. Ein wesentlicher Aspekt dabei waren die Kinderaltersgrenzen, ab wann Kinder überhaupt einen Fahrschein benötigen und ab welchem Alter der volle Fahrpreis erhoben wird. Die Empfehlung lautet, für 6 bis 14,99 Jahre wird ein ermäßigter Kinderfahrschein angeboten. Heute, im Jahre 2024, gibt es vor allem in Bayern, Niedersachsen und Thüringen Regionen und Unternehmen, bei denen bereits Kindergartenkinder zur Kasse gebeten werden oder sie früher erwachsen sind. Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert die Politik und Unternehmen auf, das Momentum des Deutschland-Tickets zu nutzen und die Tarifbestimmungen grundlegend zu vereinfachen.

Neben den Kinderaltersgrenzen standen Regelungen zu Tagestickets, Gruppentickets, Zuschlagsregelungen für Räder, Hunde und Fahrten in der 1. Klasse, die Darstellung des Kurzstreckentarifs, Fahrtunterbrechungen und die Entwertung von Fahrkarten auf der Harmonisierungswunschliste. Bei allen ist die Vereinheitlichung vorangekommen, wenn auch nicht in dem Masse, wie es wünschenswert ist. Konzentrieren wir uns auf das Beispiel der Kinderaltersgrenzen. Es hat fünfzehn Jahre intensiver Bemühungen auch des Fahrgastverbands PRO BAHN erfordert, bis alle großen Verkehrsverbünde mit Schienenintegration diese Harmonisierung umgesetzt hatten. 2019 passte dann der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) die obere Altersgrenze auch bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres an. Seitdem hat sich nur wenig bewegt. Auch heute noch fordern Unternehmen Fahrscheine von vierjährigen Kindern und anderswo sind Zwölfjährige bereits erwachsen.

„Es ist völlig unverständlich, warum ein Kind mit Überschreiten einer innerdeutschen Kreisgrenze plötzlich früher zahlen muss“, erläutert Jörg Bruchertseifer, Tarifexperte des Fahrgastverbands PRO BAHN, die aktuell gültige Situation. „An einer anderen Kreisgrenze wird das Kind dann zum Graufahrer, da den Eltern nicht bewusst ist, dass ihr Sprössling dort schon als Erwachsener zählt. Solche tariflichen Hürden dürfen die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs insbesondere bei Kindern nicht erschweren.“

Die Einführung des Deutschlandtickets hat eindrücklich gezeigt, dass einfache leicht verständliche Tarifbedingungen die Einstiegsbarriere zur Nutzung des öffentlichen Verkehrs senken. Der Fahrgastverband PRO BAHN hat mit seinem Einfachtarif (www.pro-bahn.de/einfachtarif) die Vorstellungen der Fahrgäste zusammengetragen und dazu einen Diskussionsbeitrag geliefert. Es besteht jetzt die Chance, die Harmonisierung mit einer drastischen Vereinfachung der Grundstrukturen zu vollenden.

Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert die Verantwortlichen in Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik sowie der Verkehrsunternehmen auf, mit einer raschen Tarifstrukturreform die Verkehrswende voranzubringen und so einen aktiven Beitrag für den Klimaschutz zu leisten.
Detlef Neuß, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands PRO BAHN meint dazu: „Die Verkehrsminister der Länder haben es in der Hand, das Tarifabitur überflüssig zu machen.“

Detlef Neuß, Bundesvorsitzender, mobil: 0170-5853246, e-mail: neuss@probahn-nrw.de

Jörg Bruchertseifer, Fachausschuss Tarife und Fahrgastrechte, mobil: 0160-90636984, e-mail: joerg.bruchertseifer@pro-bahn.de